31.12.2021

Wasserstoffland Niederlande

Die Niederlande stehen vor Veränderungen in ihrer Energiewirtschaft.  Das Motto lautet wie so oft: „Raus aus den Fossilen und mehr erneuerbare Energie“. Aber auch in Sachen Wasserstoff tut sich einiges.

Mit zahlreichen Projekten möchte man alternative Möglichkeiten und deren Machbarkeit aufzeigen sowie den künftigen Wasserstoffmarkt aufbauen.

Eine „Gasnation“ im Umbruch

2018 beschloss man in den Niederlanden die Abkehr von fossilem Gas, nachdem es mehrere erdbebenartige Erschütterungen in der Provinz Groningen gegeben hatte. Dort befindet sich eines der größten bisher entdeckten Off-Shore Gasfelder der Welt. Bis 2018 wurden dort 2,2 Billionen m3 Gas gefördert, aber die Entnahme von Mengen dieser Größenordnung hatte Auswirkungen auf die Stabilität des Untergrunds. Auf Grund des Drucks der Bevölkerung beschloss man die Gas-Förderung einzustellen.

© Shutterstock

Neue Wege für die Raumwärme

Die Dekarbonisierung des Raumwärmesektors ist eine der größten Herausforderungen in Ländern, in denen Erdgas – transportiert über die etablierten Leitungsnetze – dominiert. In den Niederlanden ist die Nachfrage nach Gas besonders hoch. Noch 2019 wurden 95% der Gebäude mit Gas beheizt.

Zukünftig könnte aber auch Wasserstoff eine wichtige Rolle im Bereich der Raumwärme spielen. Und in einem Wohnblock in Rozenburg, einem Stadtteil in Rotterdam, der mittels eigenem Elektrolyseur und eigener Pipeline versorgt wird, ist das bereits der Fall.

Bei dem Projekt – geleitet vom niederländischen Gas- und Stromnetzbetreiber Stedin– wurde zuerst aus CO2 und Wasserstoff Synthetisches Gas hergestellt und damit ein Gebäudeblock beheizt. Heute fließt durch dieselbe kurze Pipeline, die damals verwendet wurde, Grüner Wasserstoff. Er wird in einem nahegelegenen Elektrolyseur produziert und seit 2020 für den Betrieb eines reinen Wasserstoff-Boilers verwendet. Wird Wasserstoff verbrannt, entstehen keine CO2-Emissionen. Beim Hersteller des Wasserstoff-Brennwertgeräts, die BDR Thermea Group, ist man zuversichtlich, künftig Erdgasgeräte durch Wasserstoff-Brenner ersetzen zu können, wobei der Wasserstoff über das bereits bestehende Erdgasnetz geliefert werden soll.

Nun plant Stedin das nächste Wasserstoffvorhaben – und zwar im deutlich größeren Ausmaß. In der Provinz Südholland sollen in der auf einer Insel gelegenen Ortschaft Stadt aan’t Harvingfliet 500 bestehende Wohneinheiten bis 2025 mit kohlenstofffreiem Wasserstoff beheizt werden.

Wertschöpfungskette für Wasserstoff schaffen

In den Niederlanden arbeitet man derzeit daran, die Grundlagen für eine Wasserstoffwirtschaft zu schaffen. Das Projekt HEAVENN (H2 Energy Applications in Valley Environments for Northern Netherlands) möchte bis 2025 eine voll funktionsfähige Wertschöpfungskette für Grünen Wasserstoff aufbauen. Die Pläne umfassen die großtechnische Produktion von Grünem Wasserstoff als Rohstoff für die Industrie, den Aufbau einer Infrastruktur für den Transport, die Speicherung und die Verteilung sowie die Nachrüstung bestehender Erdgasleitungen.

Wie ein Vertreter von Stedin mitteilte, wird es trotz der nun ablaufenden Aktivitäten noch viele Jahre dauern, bis die niederländischen Gasnetzbetreiber eine große Zahl von Kunden mit Wasserstoff zum Heizen und Kochen versorgen können. Zunächst müssen die technischen Vorschriften angepasst werden, so dass auch 100%iger Wasserstoff über das Erdgasnetz verteilt werden kann. Und da anfangs wohl nur eine begrenzte Menge an Wasserstoff am Wärmemarkt abgesetzt werden kann, wird das relative hohe Kosten für die Kunden bedeuten.

Die Industrie braucht Gas

In der Industrie kann bei energieintensiven Hochtemperaturanwendungen oder anderen chemischen Prozessen auf den Einsatz von Gasen wie Methan und Wasserstoff oftmals nicht, oder nur schwer verzichtet werden.

Aber auch hier gibt es CO2-arme, wirtschaftliche Lösungsmöglichkeiten. So tauschen in den Niederlanden bereits seit 2018 die Chemie-Unternehmen Dow Chemical und Yara gemeinsam mit dem Netzbetreiber Gasunie untereinander Wasserstoff für die industrielle Nutzung aus. Dafür wurde eine 12 Kilometer lange Gastransportpipeline so umgebaut, dass sie für den Transport von Wasserstoff geeignet ist.

„Dies ist das erste Mal, dass eine bestehende Gastransportpipeline für den Transport eines anderen Gases als Erdgas modifiziert wurde. Die Gasinfrastruktur spielt eine verbindende und erleichternde Rolle bei der Energiewende. In Zukunft werden wir verschiedene Energieträger wie Wasserstoff und grünes Gas verstärkt durch unsere Pipelines transportieren. Als unabhängiger Netzbetreiber können wir Wasserstoff verschiedener Anbieter für den Transport zu den großen Industrieclustern in den Niederlanden anbinden. Dieses Netz kann bis 2030 eine Kapazität von 10 Gigawatt oder mehr haben“, so ein Sprecher von Gasunie.

Die Zukunft ist Grün

In den Niederlanden laufen weitere Initiativen, um eine Wasserstoffwirtschaft zu fördern, auch um die Vorgaben des nationalen Klimagesetzes erreichen zu können (so z.B. die Reduktion des CO2-Ausstoßes gegenüber 1990 um 49%). Und viele niederländischen Gemeinden haben inzwischen eigene, noch ambitioniertere Nachhaltigkeitsziele. Diese will man u.a. durch Innovationen beim Einsatz von Wasserstoff erreichen.

Das Beispiel der Niederlande zeigt auch, dass es passende Rahmenbedingungen für ambitionierte Projekte braucht, deren Erfolge den Aufbau des Wasserstoffmarktes unterstützen und damit den Weg für eine klimafreundliche Gaswirtschaft ebnen.