26.11.2025

Rückblick: ÖVGW Forum Wasserstoff

„Wenn wir den Weg der Klimaneutralität gehen möchten, dann geht es nicht ohne Wasserstoff.“

Mit diesen Worten eröffnete ÖVGW-Präsident Stefan Wagenhofer das dritte ÖVGW Forum Wasserstoff 2025 in Wien. Die zentrale Rolle des Energieträgers für das künftige Energiesystem ist allen Beteiligten klar, doch wie sieht es mit dem Umgang mit Hindernissen aus? Blickt man zehn Jahre zurück, so Wagenhofer, war die Skepsis gegenüber Elektroautos groß. Geringe Reichweiten, limitierte Speicherkapazitäten und eine fehlende Ladeinfrastruktur ließen die Technologie nicht praktikabel erscheinen. Heute hingegen erfreuen sie sich zunehmender Beliebtheit. Auch Wasserstoff solle, wie alle neuen Technologien, einen vergleichbaren Durchbruch erleben. Bis dahin heißt es, kontinuierlich neue Ideen voranzutreiben, auch wenn dies mit Anstrengung und Risiko verbunden ist.

ÖVGW-Präsident Stefan Wagenhofer eröffnete das dritte ÖVGW Forum Wasserstoff.

Infrastruktur

Brigitte Straka-Lang (TAG GmbH) stellte den SouthH2-Corridor vor, welcher in Zukunft Wasserstoff aus Nordafrika über Italien nach Österreich und Deutschland liefern soll. Sie kritisierte jedoch, dass dringend eine Regulierungsbehörde benannt werden müsse, die Fernleitungsnetzbetreiber für den Transport von Wasserstoff zertifiziert. Erfolgt diese Ernennung zu spät, könnten Fernleitungsrouten Österreich umgehen, was erhebliche wirtschaftliche Nachteile mit sich brächte.

Barbara Jinks (ready4H2) plädierte dafür, die Rolle der Verteilnetze stärker in den Mittelpunkt der Diskussion zu rücken. Denn rund die Hälfte des benötigten Wasserstoffs wird mehr als drei Kilometer vom Wasserstoff-Backbone entfernt eingesetzt – und somit über Verteilnetze transportiert.

Matthias Rabe (ONTRAS-Netz) präsentierte, wie die erfolgreiche Umstellung einer Gasleitung auf Wasserstoff aussehen kann. In Ostdeutschland wurde eine 50 Jahre alte, 25 Kilometer lange Leitung auf den Wasserstoffbetrieb umgestellt. Dabei konnten zahlreiche Erkenntnisse gewonnen werden. Beispielsweise wurde festgestellt, dass die künftigen Spülabschnitte größer dimensioniert werden sollten.

Abschließend ging Harald Geschiel (Scioflex) auf Materialprüfungen im Zuge der Umstellung ein. Obwohl es bereits heute umfangreiche Forschung gibt, fehlen noch eine zentrale Datenbank und einheitliche Standards für die Umstellung von Leitungen auf Wasserstoff.

Erzeugung und Sektorkopplung

Thomas Nern (OMV) konstatierte, dass Wasserstoff am Anfang vieler Wertschöpfungsketten steht. Er dient nicht nur als klimaneutraler Energieträger, sondern auch als Ausgangsstoff für diverse Grundstoffe. Zudem betonte er den Vorteil einer eigenen Pipeline, um die für den Einsatz in Raffinerien notwendige Reinheit des Wasserstoffs sicherzustellen.

Bernhard Pribyl-Kranewitter (Verbund AG) gab Einblicke in die Erzeugungsprojekte für Grünen Wasserstoff, darunter das Großprojekt „H2 Notos“ in Nordafrika. Benedikt Hasibar (RAG Austria AG) berichtete ebenfalls über Produktionsanlagen und die Stromumwandlungsdienstleistungen der RAG. Dabei zahlen Kundinnen und Kunden einen jährlichen Fixbetrag dafür, dass überschüssiger Strom in Wasserstoff umgewandelt wird. Dieser wird anschließend ins Gasnetz beigemischt, gespeichert oder direkt an die Kundinnen und Kunden übergeben.

Anwendung

Andreas Burger (TINEXT-Next Energy Solutions GmbH) berichtete von der Kooperation mit der Gasmotorenfirma INNIO. Durch die enge Zusammenarbeit kann eine Sektorkopplung mit einem Wirkungsgrad von 90 % erzielt werden: Der von TINEXT produzierte Wasserstoff wird zur Motorentestung an INNIO übergeben, während die entstehende Abwärme für das Fernwärmenetz genutzt wird.

David Kern-Wedl (Wiener Netze GmbH) schilderte ebenfalls eine erfolgreiche Anwendung: den klimaneutralen Bautrupp, der aus einem wasserstoffbetriebenen Fahrzeug sowie Baugeräten, die mit Wasserstoff oder Strom betrieben werden, besteht. Erste Zwischenergebnisse zeigen, dass der Einsatz des Wasserstoffbaggers problemlos möglich ist. Eine Umschulung des Personals ist darüber hinaus nicht notwendig, da sich die Bedienung der Geräte nicht verändert.

Wasserstoff findet zunehmend auch in neuen Bereichen Anwendung, beispielsweise in der Filmbranche. Thomas Stöhr (HyCentA Research GmbH) erläuterte, welche Maßnahmen erforderlich sind, um mit neuen Sicherheitsanforderungen umzugehen.

Podiumspanel

In dem abschließenden Podiumspanel diskutierten Judith Obermayr-Schreiber (Industriellenvereinigung), Barbara Jinks, Michael Woltran (AGGM) und Stefan Wagenhofer darüber, ob Wasserstoff tatsächlich eine Zukunftschance darstellt oder lediglich die Kosten in die Höhe treibt.

Judith Obermayr-Schreiber betonte, dass die Industrie dringend kostengünstigen Wasserstoff benötige, um das Ziel einer Reduktion der Treibhausgasemissionen um 90 % bis 2040 auf EU-Ebene zu erreichen. Aktuell liegen die Kosten für eine Megawattstunde Wasserstoff bei 225 bis 250 Euro – und sind damit sechs- bis siebenmal höher als jene von Erdgas. Sie plädiert daher dafür, die Hemmnisse des Hochlaufs rasch zu identifizieren und zu beseitigen.

Einer der ersten Schritte hierfür ist der Ausbau der Infrastruktur, wie Michael Woltran unter Zustimmung des Panels festhielt. Barbara Jinks ergänzte, dass eine Fragmentierung der Netze unbedingt vermieden werden müsse und das europäische Energiesystem in seiner Gesamtheit betrachtet werden sollte.

Was für den Ausbau der Infrastruktur notwendig ist? Stefan Wagenhofer nennt das fehlende Gaswirtschaftsgesetz. Ohne dieses könnte Österreich nicht aktiv an der europäischen Wasserstoff-Diskussion teilnehmen.

Resümee

Zum Ausklang des Tages rief Stefan Wagenhofer dazu auf, Mut weiterzutragen und neuen Schwung für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu sammeln. Die Gaswirtschaft befindet sich in vielen Bereichen bereits in der Umsetzung – diese Bestrebungen gilt es weiter zu verfolgen.

Wirtschaftsjournalist Martin Szelgrad moderierte die Veranstaltung.