ÖVGW FORUM WASSERSTOFF
22. November 2023/Wien

NACHBERICHT - 1. ÖVGW Forum Wasserstoff

Erneuerbarer Wasserstoff wird bereits seit einigen Jahren als „Game Changer“ angesehen und ihm eine entscheidende Rolle für das Gelingen der Dekarbonisierung zugeschrieben. Auch die ÖVGW beschäftigt sich bereits seit längerem intensiv mit dem Thema. Im Rahmen der Forschungsinitiative „Greening the Gas“ werden wissenschaftliche Erkenntnisse erarbeitet, die gemeinsam mit dem Praxiswissen der Anwender in die Erstellung des technischen Regelwerks für Planung, Errichtung und Betrieb von Wasserstoffanlagen einfließen.

Zur Kommunikation des aktuellen Forschungsstandes und als Plattform für den Experten-Diskurs organisiert die ÖVGW das Forum Wasserstoff, das heuer seine Premiere hatte. Mehr als 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen am 22. November in das Wiener Veranstaltungszentrum „The Space by Wirtschaftsbund“, um sich über die Umsetzung konkreter Wasserstoffprojekte zu informieren.

Wasserstoff für Industrie, Mobilität und Biogas-Veredelung

Patrick Passail von der Energienetze Steiermark GmbH stellte das „Renewable Gasfield“ vor. Dort ist seit heuer ein PEM-Elektrolyseur mit einer Leistung von 1 MW in Betrieb, der täglich 450 kg hochreinen Wasserstoff aus aufbereitetem Reinstwasser und erneuerbarem Strom, der unter anderem von einer Photovoltaikanlage am Standort erzeugt wird, produziert.

Die Gastgeber: ÖVGW-Bereichsleiter Gas Bernhard Pichler (r.) und Fachreferent Sascha Grimm (l.), mit den Vortragenden des Vormittags: Nils Peukert-Zimmermann (2.v.l.), Patrick Passail (Mitte) und Micha Oberhuber (2.v.r.);
Daniel Hinterramskogler

Ein kleiner Teil des Wasserstoffs sowie das bei der Elektrolyse anfallende CO2 werden genutzt, um Rohbiogas aus einer benachbarten Anlage mittels katalytischer Methanisierung auf Erdgasqualität zu veredeln und in das öffentliche Gasnetz einzuspeisen. Der Großteil des verdichteten Wasserstoffs wird per Tankwagen an Kunden geliefert, darunter ein Industrieunternehmen, das damit Wolframpulver herstellt. Die Anlage ist vollständig automatisiert, so dass ein „unbemannter“ Betrieb möglich ist. Als weitere Optimierungsmöglichkeiten der Anlage nannte Passail die Nutzung der bei der Elektrolyse und Methanisierung anfallenden Wärme und des Sauerstoffs sowie die Integration der komplexen Schnittstellen.

Umrüstung von Erdgasnetzen für H2-Transport

Micha Oberhuber arbeitet bei Gas Connect Austria und ist Vorsitzender des ÖVGW-Fachausschusses, der die technischen Regeln für Wasserstoffanlagen erstellt. Er erläuterte, dass der Import von Wasserstoff am kostengünstigsten und effizientesten über eigene Pipelines erfolgen kann. Dazu können auch bestehende Erdgasleitungen umgerüstet werden. Die in den Leitungen verbauten Stähle sind dafür geeignet; Gasverdichter, Dichtungen und Armaturen müssten ausgetauscht, Gas-Chromatographen und Messgeräte umgerüstet werden.

Nils Peukert-Zimmermann von der deutschen Ferngas Service & Management GmbH & Co. KG berichtete über das Projekt „TH2ECO“, bei dem in Thüringen, nahe der Stadt Erfurt, eine 42 km lange Erdgasleitung für den Transport von Wasserstoff umgerüstet werden soll. Der Wasserstoff soll in einer Elektrolyseanlage mit einer Leistung von 25 MW erzeugt und im Mobilitätsbereich, in Kraftwerken sowie als Grundstoff in der Industrie eingesetzt werden. Der Anschluss der Pipeline an das europäische Wasserstoff-Backbone ist ab 2030 geplant. Peukert-Zimmermann berichtete über die technischen Anpassungsmaßnahmen, die für die Umrüstung der Erdgaspipeline notwendig sind.

H2-Projekte in Österreich

Fabian Wagner von Wien Energie stellte das Projekt „H2Real“ vor. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Hydrogen Valley. Darunter versteht man ein geografisches Gebiet, in dem Wasserstoff als Energieträger und Rohstoff gespeichert, transportiert und vielfältig genutzt wird. Ziel eines Valleys ist, den Aufbau eines regionalen Wasserstoffmarktes zu fördern. Derzeit gibt es in Österreich drei H2-Valleys. H2Real soll die Ostregion für Wasserstoff erschließen. Geplant sind unter anderem Projekte zu Blending und Deblending – also der Beimischung von Wasserstoff ins Erdgasnetz als Brückentechnologie. Untersucht werden Synergieeffekte entlang der gesamten H2-Wertschöpfungskette, um eine Kostenreduktion und damit Wettbewerbsfähigkeit von grünem Wasserstoff zu erreichen.

Einschlägige Aktivitäten der RAG Austria wurden in den beiden Vorträgen von Thomas Plessnitzer und Tatjana Weilert vorgestellt. Das Unternehmen hat in den letzten 10 Jahren wegweisende Wasserstoff-Projekte umgesetzt. So wurde die Eignung von Untergrundspeichern für die Speicherung von Wasserstoff erfolgreich getestet und mittlerweile eine Erdgasleitung für den Transport von H2 umgerüstet, um ihn in einem Blockheizkraftwerk zu nutzen. Im kürzlich gestarteten Projekt „Krift-Valley“ wird am Standort Kremsmünster Erdgas künftig mit Hilfe von Solarstrom CO2-frei in Wasserstoff und hochreinen Feststoffkohlenstoff aufgespaltet. Der Wasserstoff wird für die Wärmeversorgung der Stadt Kremsmünster verwendet. Weiters wurden Projekte zur Versorgung von Linz, wo der Erdgaseinsatz in Kraftwerken deutlich reduziert werden soll, sowie zur Lieferung von zertifiziertem Wasserstoff nach Bayern angekündigt.

Bereichsleiter Pichler und Fachreferent Grimm mit den Vortragenden des Nachmittags: Thomas Plessnitzer (l.), Fabian Wagner (3.v.l.), Helmut Meixner (3.v.r.) und Tatjana Weilert (2.v.r.)
Daniel Hinterramskogler

Nachbericht: 1. ÖVGW Forum Wasserstoff

Im abschließenden Vortrag berichtete Helmut Meixner von der Wiener Netze GmbH über die Pläne zur Nutzung von Wasserstoff am Mobilitätssektor. In der Busgarage Leopoldau wurde bereits eine H2-Tankstelle errichtet, die auch von Lkw genutzt werden kann. Weiters ist die Anschaffung von 10 Wasserstoffbussen geplant, die auf der Linie 39 eingesetzt werden sollen. Meixner erläuterte, dass die Errichtung einer PEM-Elektrolyse-Anlage mit einer Leistung von 3 MW zur Erzeugung von grünem Wasserstoff geplant ist. Der Standort wird Wien-Simmering sein, wo auch eine weitere Wasserstofftankstelle entstehen wird. Er beleuchtete die zahlreichen Herausforderungen bei Genehmigung, Bau und Betrieb sowie bei der Entwicklung eines Geschäftsmodells rund um Wasserstoff. Gerade im Behördenverfahren erwies sich das Wasserstoff-Regelwerk der ÖVGW dabei als sehr hilfreich.

Resümee

Das Forum Wasserstoff habe gezeigt, dass die Erzeugung mittels Elektrolyse aus Ökostrom mittlerweile nicht mehr nur im Versuchsmaßstab möglich ist, erklärte Bernhard Pichler, ÖVGW-Bereichsleiter Gas. Jetzt gehe es darum, möglichst effektive Anwendungen und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Die ÖVGW wird mit ihrem Forschungsprogramm und der Weiterentwicklung des Wasserstoff-Regelwerkes die technischen Grundlagen dafür liefern.

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